Kinder sind der Motor der Entwicklung

Kita & Co nimmt sich des Themas dennoch verstärkt an, weil die Zahlen in Zukunft wahrscheinlich steigen werden. „Wir wollen den Fachkräften verstärkt Angebote machen, die zeigen, wie die Integration von Flüchtlingskindern gelingen kann“, sagt Christina Altenbernd, Projektleiterin von Kita & Co.

Die noch niedrige Zahl von Flüchtlingskindern in den Kitas verbessert deren Integrationschancen erheblich. Denn so können die Fachkräfte gezielt und individuell fördern – und die neuen Kinder können schnell und viel von und mit den anderen Kindern lernen.

Fühlen sich die Kinder wohl, sind eingebunden, akzeptiert und werden gefördert, steigen ihre Chancen, später in der Gesellschaft zurechtzukommen. Die Voraussetzungen sind gerade bei den Kleinen gut, sind sie doch in der Regel wissbegierig, offen für Neues und lernen schnell. Zentral ist es, die deutsche Sprache, Abläufe und Strukturen zu vermitteln.

„Die Kinder sind der Motor der Entwicklung“, betont Gila Hoppenstedt, Referentin einer ganztägigen Kita & Co Fortbildung mit 50 Fachkräften aus Kindertagesstätten und Grundschulen, die an Kita & Co teilnehmen. Die neu angekommenen Kinder lernen für ihr eigenes Leben, können aber auch ihre ganze Familie einbeziehen. Eltern kommen so in Kontakt mit Bildungseinrichtungen – und sind selbst gefordert, die Entwicklung ihres Kindes zu begleiten.

Großes Bedürfnis nach Sicherheit

„Kinder haben ein großes Bedürfnis nach Sicherheit und Beziehung“, erläutert die Referentin, die in Hamburg selbst Flüchtlinge unterrichtet. Kitas und Grundschule sind Orte, die dies leisten können. Kinder und Fachkräfte von Schulen und Kitas gehen die neue Situation positiv an. Viele geflohene Eltern sind dankbar, sie zeigen dies und schenken der Einrichtung beispielsweise selbst zubereitetes Essen.

Katrin Brings, Lehrerin der Regenbogenschule in Hiddenhausen, ist sich bewusst, dass Flüchtlingskinder einen individuelleren Zugang und mehr Aufmerksamkeit brauchen. Sie freut sich auf die Begegnungen, hat zugleich aber Angst, ob das, was noch auf die Schule zukommt, bewältigt werden kann.

Denn auch wenn Kinder offen und neugierig sind, schleppen sie ein schweres Paket mit sich herum. Entwurzelung und Flucht wirken extrem belastend. Viele Flüchtlinge sind traumatisiert. Und die Lebensumstände in Deutschland sind provisorisch und unsicher, viele haben nur eine Aufenthaltsgestattung, sie leben in Erstaufnahmeeinrichtungen.

Für die Fachkräfte entsteht daraus ein Bündel an Aufgaben: Sie müssen die Grundzüge des Aufenthaltsrechts verstehen und sich wahrscheinlich um mehr kümmern als nur die Betreuung und Unterrichtung. Wie erkenne ich ein Traumata, wo kann ich Hilfe holen, lautet eine der möglichen Fragen. Eine andere: Wie bekomme ich Kontakt zu den Eltern? Arbeit mit Eltern, die erst einmal erschöpft und verunsichert sind, ist schwierig, meistens fehlt es auch einer gemeinsamen Sprache.

Auch kann sich schnell eine Schere zwischen Kindern und Eltern aufmachen: Während die Kinder gefördert werden und schnell lernen, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden, hinken die Eltern hinterher. Dies kann von diesen als Entfremdung wahrgenommen werden. „Es gibt zu wenig Angebote an die Eltern, auch informeller Art“, sagt Gila Hoppenstedt, und ergänzt: „Die Verantwortung der Erzieherinnen und Lehrerinnen ist riesengroß“.

In der konkreten Arbeit mit den Kindern reiche es nicht aus, die deutsche Sprache im Alltag oder Unterricht zu vermitteln, sagt Gila Hoppenstedt. Eigentlich müsste auch die Muttersprache gefördert werden, was aber bislang nur selten geschieht. „Dann würde auch der Spracherwerb im Deutschen stärker“.

MINT und Erzählen als Ansätze

Aus ihrem eigenen Schaffen berichtet sie über zwei erfolgreiche Ansätze: das spielerische Lernen im MINT-Bereich und das Erzählen. MINT steht für naturwissenschaftliche und mathematische Inhalte. Die Welt der Zahlen und Formen ist weitestgehend unabhängig von sprachlichen und kulturellen Hintergründen und kann so schnell erschlossen werden. Das Erzählen wiederum kann anfangs in der Muttersprache erfolgen. „Besonders bei arabischen Kindern hat das Erzählen einen hohen Stellenwert“, berichtet sie. Erzählungen verliefen kulturell unabhängig nach einem gleichen Muster, so dass sie auch die Kinder, die die Sprache gar nicht verstehen, eine gestenreich erzählte Geschichte in einer fremden Sprache nachvollziehen könnten. „Grundsätzlich geht es zunächst darum zu schauen, was die Kinder bereits können“. Durch einfache Tests lasse sich feststellen, ob Kinder schon mal Bücher in der Hand gehalten haben oder ob die Kinder Bilder lesen können.

Zugleich müssen die Fachkräfte Wege finden, mit der besonderen emotionalen Situation der Kinder umzugehen. Manchmal fehlt ihnen die Mutter, weil sich der Vater mit Kind auf den Weg gemacht hat, manchmal müssen diese mit ganz unterschiedlichen Lebens- und Verhaltensweisen in der Kita und in der Familie umgehen. Manchmal kommt auch die Flucht wieder hoch. Für diese Besonderheiten braucht es Raum und die Fähigkeit, darauf eingehen zu können. Hilfreich sei es in jedem Fall, den Tag in einer Kita klar zu strukturieren, betont Gila Hoppenstedt.

Aus anderer Perspektive muss sich auch die Verwaltung auf eine veränderte Situation einstellen. Bis Mitte März muss der Kreis beim Land die Kitaplatzzahlen für den kommenden Jahrgang melden. Davon ist der Umfang der Refinanzierung abhängig, denn das meiste Geld für die Kitaplätze kommt vom Land Nordrhein-Westfalen. „Wir sind noch nicht darauf eingerichtet, dass kurzfristig mehr Kinder aufgenommen werden müssen, von denen vielleicht sogar einige dann doch nicht kommen oder andere schnell wieder abgemeldet werden, weil die Familie weiterzieht“, sagt Burkhard Michler, Leiter des Amtes Jugend und Familie Kreis Herford.

Einig sind sich alle, das Thema weiterzuverfolgen und die Fachkräfte zu stärken. Der Fachtag, der auch in Kooperation mit der Schulaufsicht des Kreises Herford und des kommunalen Integrationszentrums durchgeführt wurde, wurde als gelungener und wertvoller Auftakt gewertet. „Kitas haben in den vergangenen Jahren eine enorme Entwicklung hinter sich. Wir wollen Kitas stark machen, sie aber auch ermuntern, Grenzen aufzuzeigen und zu fordern“, sagt Gila Hoppenstedt. „Wir wollen die Erzieherinnen, Pädagoginnen und Lehrende nicht alleine lassen mit ihren Fragen“, sagt auch Burkhard Michler. Kita & Co wird in Zukunft weitere Inputs zu dem Thema geben, Diskussionen anregen und den Austausch von Fachwissen ermöglichen.